Um zu verstehen welche Probleme der faire Handel aktuell hat, lohnt es sich definitiv einen Blick in die Vergangenheit zu verwerfen und zunächst folgende Fragen zu beantworten:
- Wo kommt der faire Handel her?
- Und welchen Anspruch stellt es an sich selbst?
Der Ursprungsgedanke des fairen Handels war mitunter auch politisch geprägt. Denn über den Verkauf von fair gehandelter Ware sollte Bewusstsein geschaffen und Veränderung angestoßen werden. So begann der faire Handel zum Beginn der 1970er aus Protest über die wachsenden Ungerechtigkeiten. Zu Beginn der 80er Jahre veränderte sich der Kurs leider merklich – die wirtschaftlichen Aspekte rückten verstärkt in den Vordergrund.
Der Anspruch des fairen Handels war es ein Gegengewicht zu dem konventionellen Markt zu liefern und eine Art des sozialistischen Wirtschaftsmodells aufrecht zu erhalten.
Wo also ist der faire Handel nun falsch abgebogen und/oder wird seinem Anspruch nicht gerecht?
1. Idee des partiellen Marktversagens
Gerade wenn man sich vor Augen hält, dass der faire Handel ursprünglich geschaffen wurde, um echte Veränderung anzustoßen und eben nicht als Alternative wahrgenommen zu werden, ist dieses Probleme erstaunlich. Schaut man sich die darauffolgende Veränderung des fairen Handels an widerrum nicht.
Wie dem auch sei – was ist mit dieser Idee gemeint und warum wird sie zu einem Problem?
Zäumen wir das Pferd mal von vorne auf. Was ist mit partiellem Marktversagen gemeint? Die Ungerechtigkeit zwischen dem globalen Süden und Norden lassen sich darauf zurückführen, dass an dieser Stelle der Markt vielleicht doch nicht ganz so gut, wie der ein oder andere Ökonom uns gerne weißmachen würde. In der Betriebswirtschaftslehre nennt man die Marktmechanismen für die „unsichtbare Hand des Marktes“. Diese unsichtbare Hand besteht natürlich aus einer Menge Gesetzen, Subventionen und ähnlichen Dingen – aber das führt nun wirklich zu weit. Also, partielles Marktversagen bedeutet, dass hier ein Stein im Getriebe ist. Daraus folgt in der Kommunikation des fairen Handels auch, dass Verbraucher*innen fair und unfair einkaufen können und damit dieses Marktversagen wieder beseitigen. Konsument*innen sind damit in der Pflicht, ethische Überlegungen in ihre Kaufentscheidung einfließen zu lassen.
Was bedeutet das auch? Das Ausbeutung (angeblich), damit reguliert werden kann an das ethische Bewusstsein der Verbraucher*innen zu appellieren. Der Fokus liegt in dieser Argumentation ganz und gar auf der Eigenverantwortung. Was natürlich Quatsch ist. Denn es gäbe und gibt auch immer noch die Möglichkeit, der politischen Regulieren (einen lächerlich kläglichen Versuch haben wir jetzt mit dem Lieferkettengesetz) und der Veränderung von weltwirtschaftlichen Strukturen
2. Überbetonung der „Macht der Verbraucher“
Dieses zweite Problem hängt eng mit dem ersten zusammen.
Wir haben also schon festgestellt, dass der faire Handel (und viele andere) davon ausgehen, dass es sich bei Ausbeutung lediglich um ein partielles Marktversagen handelt. Außerdem wissen wir, dass die Konsument*innen in den Mittelpunkt gestellt werden, um dieses partielle Marktversagen zu beseitigen.
Durch diesen wirklich sehr einseitigen Blickwinkel auf den fairen Handel geht im viel gestalterisches Potenzial verloren! Was meint das genau? Durch den Fokus auf ein Thema, bleiben keine Ressourcen mehr andere Handlungsalternativen zu fordern und fördern. Anstatt also auf eine Verteilung (natürlich im demokratisch legitimierten Rahmen) von politischer und ökonomischer Macht zu pochen, um dadurch Ausbeutung und Ungerechtigkeiten zu überwinden, wird die individuelle Verantwortung einzelner Konsument*innen in den Mittelpunkt gestellt und reduziert damit Gestaltungsmöglichkeiten auf den Warenkonsum. Aber – und es gibt ein dickes Aber: Die Produktions- und Konsumnormen werden eben nicht durch die einzelnen Verbraucher*innen gesetzt, sondern durch große Unternehmen, Gesellschaft und Politik.
3. Ausweitung der Siegel auf konventionelle Handelsketten
Kommen wir zum letzten Problem, dass wir mit dem fairen Handel haben:
Die Zusammenarbeit mit Siegel und konventionellen Handelsketten. Entstanden ist sie auf der „Notwendigkeit“ den Absatzmarkt zu erweitern und den fairen Handel weiter in den Industriestaaten zu etablieren. Natürlich wurde der Absatz damit gesteigert und so auf mehr Menschen geholfen. ABER auf der anderen Seite wird die Stellung im System gefestigt. Der faire Handel ist damit nur die moralisch ethische Option. Und wie wir jetzt gelernt habe, ist das einfach nicht genug.
Was können wir tun, um den fairen Handel weiterzuentwickeln?
Vielleicht seid ihr jetzt erstmal genauso niedergeschlagen nach dem Lesen des Artikels, wie wir beim Schreiben. Deswegen wollen wir euch nicht vorenthalten was wir alle tun können, um diesen Problemen zu begegnen.
Zum einen sollt ihr auf keinen Fall aufhören fair gehandelte Produkte zu kaufen – denn klar ist auch: Sie helfen den Produzent*innen im Anbauland schon heute. Dennoch darf der faire Handel nicht das »Wohlfühlprogramm der westlichen Mittel und Oberschicht« (Brand 2008, 4) bleiben. Er muss sich weiterentwickeln. Oder vielleicht ganz weit zurück – also zu seinen Anfängen.
Ihr wisst schon der Grundgedanke, dass durch den fairen Handel politische Veränderung angestoßen wird. Was bedeutet das? Produktion- und Handelswege, die ja mit Macht verbunden sind, müssen grundlegend verändert werden. Auch die mächtigen Akteure des „globalisierten Kapitalismus“ sollten in die Verantwortung gezogen werden, den Wandel mit zu stützen. Social Entrepreneurship muss sich aus der Nische entwickeln und zum vorherrschenden Geschäftsmodell werden.
Ihr wollt mehr über die Unterschiede zwischen dem konventionellen Handel und dem fairen Handel lesen? Dann geht’s hier lang.